Liberty News - Die Gefahr von Pensionskassen-Sanierungen nimmt zu

Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge hat im Mai 2023 die aktuellen Zahlen zur finanziellen Lage der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen veröffentlicht. Demnach befinden sich etliche Kassen in Unterdeckung. Wird das so bleiben?

Die Rückkehr der Inflation und die damit verbundenen starken Zinsanstiege, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und gestörte Lieferketten haben im vergangenen Jahr für erhebliche Unsicherheiten und entsprechende Verwerfungen an den Märkten gesorgt. Das hatte in den zentralen Anlagekategorien Aktien und Obligationen, aber auch in fast allen anderen Anlagekategorien eine stark negative Performance zur Folge. Die durchschnittliche erwirtschaftete Netto-Vermögensrendite der Vorsorgeeinrichtungen fiel 2022 stark negativ aus: Sie lag für Einrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung bei -9.2% (Vorjahr: 8.0%) und für Einrichtungen mit Staatsgarantie bei -8.2% (Vorjahr: 8.3%). Die individuell ausgewiesenen Deckungsgrade sanken deshalb bei den Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung im Durchschnitt auf 107.0% (gegenüber 118.5% per Ende 2021) und bei den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie auf 81.3% (gegenüber 89.3% per Ende 2021). Per Ende 2022 wiesen damit noch 84% der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung einen Deckungsgrad von mindestens 100% aus (gegenüber mehr als 99% im Vorjahr). Dies geht aus dem Tätigkeitsbericht der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) 2022 hervor.

Realverzinsung ist langfristig deutlich positiv

Aufgrund der negativen durchschnittlichen Performance 2022 ist auch die durchschnittliche Verzinsung der Altersguthaben der aktiven Versicherten von 3.69% per Ende 2021 auf 1.90% per Ende 2022 gesunken. Im Vergleich dazu lag die Jahresteuerung in der Schweiz 2022 gemäss Bundesamt für Statistik bei 2.8% (Vorjahr: 0.6%). Das bedeutet, dass viele aktive Versicherte für das Jahr 2022 eine negative Realverzinsung auf dem Vermögen der beruflichen Vorsorge erlitten haben. Laut OAK BV zeigt sich in den gemachten Analysen jedoch, dass die Anlageerträge längerfristig betrachtet die Erwartungen im Durchschnitt erfüllt respektive sogar übertroffen haben.

Rentenverpflichtungen haben ebenfalls an Wert eingebüsst

Mit Blick auf die Verpflichtungsseite der Vorsorgeeinrichtungen hebt die OAK BV hervor, dass der Zinsanstieg mittelfristig aber auch eine positive Seite habe. Aus einer Marktwertsicht hätten die langlaufenden Rentenverpflichtungen ebenfalls an Wert eingebüsst, d.h. mit dem Zinsanstieg würden die Rentenversprechen in Zukunft mit weniger Risiko finanzierbar sein.

Ein grosser Teil der Wertschwankungsreserven war Ende 2022 aufgebraucht

Wie die OAK BV weiter ausführt, müssten Vorsorgeeinrichtungen als langfristige Investoren mit Marktschwankungen umgehen können. Die guten Börsenjahre bis und mit 2021 hätten es vielen Vorsorgeeinrichtungen erlaubt, ihre Wertschwankungsreserven voll aufzubauen. Damit seien sie in der Lage gewesen, die negativen Folgen der Entwicklungen der Kapitalmärkte zu tragen. «Vorsorgeeinrichtungen, welche ihre Wertschwankungsreserven bis Ende 2021 ungenügend aufgebaut hatten, sind demgegenüber jetzt in Unterdeckung oder verfügen nur noch über geringe Wertschwankungsreserven», so die OAK BV. Und sie weiss: Ein grosser Teil der Wertschwankungsreserven war per Ende 2022 aufgebraucht. Tatsächlich verfügten nur noch 58% der Vorsorgeeinrichtungen per Ende Berichtsjahr über eine Wertschwankungsreserve von mindestens 25% ihres Zielwerts.

Aktive Versicherte könnten mit Sanierungsmassnahmen konfrontiert werden

Doch die Aufseher wiegeln ab: «Periodische Unterdeckungen von Vorsorgeeinrichtungen sind gesetzlich erlaubt. Laufende Renten sind in der zweiten Säule garantiert, dies gilt auch bei Vorsorgeeinrichtungen in Unterdeckung.» Allerdings könnten die aktiven Versicherten einer Vorsorgeeinrichtung in Unterdeckung mit Sanierungsmassnahmen wie Minderverzinsungen oder Sanierungsbeiträgen konfrontiert werden, räumt die OAK BV ein. Dies hänge jedoch von der individuellen Situation der Vorsorgeeinrichtung ab. Und die Aufseher fahren fort: «Eine Unterdeckung zieht nicht automatisch Sanierungsmassnahmen nach sich. Sie wird aber in jedem Fall von der regionalen Aufsichtsbehörde einzeln geprüft. Zum aktuellen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass Sanierungsbeiträge nur in den wenigsten Fällen notwendig sein dürften.»