Bürgerliche nehmen weiteren Anlauf zur Umwandlungssatzsenkung

Sozialminister Didier Burkhalter nimmt einen neuen Anlauf, um den Mindestumwandlungssatz trotz gescheiterter Abstimmung 2010 doch noch zu senken. Erste Pensionskassen haben dieses Jahr bereits eine Umwandlungssatzsenkung angekündigt.

Wer erinnert sich nicht an den heftig geführten Abstimmungskampf um die geplante Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8% auf 6,4% im März 2010! Darin hatten die Befürworter eines tieferen BVG-Satzes, allen voran die bürgerlichen Parteien sowie die Wirtschaftsverbände, vergeblich argumentiert, dass dieser Schritt wegen der gestiegenen Lebenserwartung und den gesunkenen Renditeaussichten nötig sei. Stattdessen setzte sich eine Koalition aus SP und Grünen, den Gewerkschaften und der Konsumenten-Presse durch, die unter dem Motto «Rentenklau» gegen die Vorlage das Referendum ergriffen hatte. Mit 72,7% Nein-Stimmen wurde die Vorlage für tiefere Neurenten in der 2. Säule schliesslich verworfen. Das Abstimmungsresultat war eine schwere Niederlage für den Bundesrat.

Mit dem Umwandlungssatz wird das Altersguthaben der Versicherten in eine Rente umgerechnet. Wer zum Zeitpunkt seiner ordentlichen Pensionierung ein Altersguthaben von 100'000 Franken aufweist, das mit einem Umwandlungssatz von 6,74% berechnet wird, erhält eine jährliche Rente von 6'740 Franken. Je tiefer der Umwandlungssatz, desto tiefer also auch die Rente.

Die finanzielle Stabilität des Systems ist gefährdet

Umso entschlossener mutet es an, dass Bundesrat Didier Burkhalter Berichten zufolge erneut eine Senkung des Umwandlungssatzes in Angriff nimmt. Laut Recherchen der «NZZ am Sonntag» hätten die Fachleute des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) dazu einen Bericht mit ersten Ideen erstellt. Schon auf der Jahresversammlung des Pensionskassenverbandes ASIP im Mai hatte Didier Burkhalter geäussert, dass eine Anpassung des Umwandlungssatzes unumgänglich sei, da ein Satz von 6,8% die finanzielle Stabilität des Systems gefährde. Mit einem Konzept des «fairen Mindestumwandlungssatzes» will er nun offenbar die Senkung des Umwandlungssatzes vorbereiten.

Renten sollen in garantierten und in «Bonus»-Teil gesplittet werden

Das Wort «fair» wird dahingehend interpretiert, dass Rentenverluste die aus der Senkung des Umwandlungssatzes resultieren zumindest für Versicherte mit tiefen Einkommen abgefedert werden sollen. Es handle sich dabei um das Modell einer «Bonus-Rente». Diese würde künftig in zwei Teile gesplittet, nämlich in einen garantierten Teil und in einen «Bonus»-Teil, der von der finanziellen Lage der Pensionskasse abhängig sei. Bereits erprobt habe dieses Modell die Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers, die es bei der hauseigenen Pensionskasse anwende. Die Pensionäre würden damit 88% ihrer Rente garantiert erhalten, während der Rest alle drei Jahre der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst würde. Bei der Einführung dieses Modells habe der Bonus 14% betragen, heute läge er bei 10%.

Pensionäre sollen zur Sanierung der Kasse beitragen

Wie das BSV geäussert habe, läge der Vorteil dieses Systems darin, dass die Pensionäre bei finanziellen Schwierigkeiten der Kasse automatisch zur Sanierung beitragen würden. Heute sei dies nur selten der Fall, was Didier Burkhalter in Anbetracht der Alterung der Gesellschaft als problematisch sehe. Die zuständige Expertenkommission des Bundes habe das Modell der Bonus-Rente inzwischen zur weiteren Abklärung empfohlen. Sie erachte eine Senkung des Umwandlungssatzes politisch aber nur in Begleitung von flankierenden Massnahmen als durchsetzbar. Sie unterstütze deshalb auch andere Kompensationsvorschläge, etwa höhere Altersgutschriften und das Anheben des versicherten Lohnes. Anhörungen zu diesen Vorschlägen bzw. dem Bericht soll Didier Burkhalter im Herbst eröffnen.

Erste Pensionskassen haben Umwandlungssatzsenkung bereits angekündigt

Einzelne Pensionskassen sind derweil zur Tat geschritten und haben eine Senkung des Umwandlungssatzes bereits angekündigt. So will die Pensionskasse des Bundes PUBLICA den Umwandlungssatz auf Renten ihrer Versicherten per 1. Juli 2012 auf 6,15% senken. Dazu hat der Bundesrat verschiedene Begleitmassnahmen genehmigt. Auch die Pensionskasse des Kantons Solothurns plant eine Reduktion des Umwandlungssatzes. Aufgrund des heutigen zu hohen Umwandlungssatzes mache sie jedes Jahr 8 bis 10 Millionen Franken Verlust, Tendenz steigend. In Zusammenhang mit einer anstehenden Statutenrevision schlägt der Regierungsrat deshalb eine Senkung in fünf Schritten vor. Der Umwandlungssatz soll von 6,74% aktuell bis auf 5,97% im Jahr 2016 gesenkt werden. Die Statutenrevision soll per 2012 in Kraft treten.

Experten empfehlen einen Umwandlungssatz von rund 5%

Laut Ökonom und Pensionskassen-Experte Martin Janssen müssen die Leistungen aus der beruflichen Vorsorge realistischer eingeschätzt werden. Wegen der höheren Lebenserwartung und der niedrigeren Kapitalmarktzinsen müsse der korrekte Umwandlungssatz heute bei etwa 5% liegen. Der tatsächliche Umwandlungssatz liegt aber viel höher. Als Konsequenz findet eine Übertragung von Altersguthaben von jüngere auf ältere Generationen statt und die Pensionskassen sind gezwungen, höhere Anlagerisiken einzugehen. Eine Anpassung des Umwandlungssatzes an die veränderten Gegebenheiten scheint unausweichlich.